Trinkgeld-Kultur: Diese Sitten herrschen in der (Deutsch-)schweiz

Wie viel geben Sie und aus welchem Grund? Die Trinkgeldkultur in der Schweiz wurde in einer Studie der Bank Cler analysiert. Deutliche Unterschiede sind beispielsweise im Verhalten von Menschen aus Deutsch- und Westschweiz zu erkennen. Auch lässt sich daraus viel über die Motivation der Schweizerinnen und Schweizer beim Trinkgeldgeben herauslesen.
Am 14.11.2023 in Rund ums Geld

Auf einen Blick

  • Der Studie zufolge soll die Deutschschweiz beim Trinkgeldgeben grundsätzlich grosszügiger sein als die Westschweiz.
  • Junge Menschen bis 30 seien weniger spendabel als ältere Generationen.
  • Zudem legen der Studie zufolge Männer beim Trinkgeldgeben ein emotionaleres Verhalten an den Tag als Frauen.
Wenn es abends festlich wird, wenn sich jemand in netter Gesellschaft in einem Restaurant verwöhnen lässt und zum Schluss zufrieden mit dem Service ist: Dann ist die Wahrscheinlichkeit in der Schweiz am höchsten, dass dem Personal ein Trinkgeld spendiert wird. Bei der Kultur des Trinkgeldgebens in der Schweiz sind der Studie nach auch weitere spannende Entwicklungen zu beobachten. Beispielsweise zeigen sich deutliche Unterschiede beim menschlichen Verhalten – vor allem bei der Motivation des Trinkgeldgebens. Einige Auffälligkeiten bereits vorab: Junge Menschen geben weniger, Schweizerinnen und Schweizer aus der Romandie sind zurückhaltender als diejenigen aus der Deutschschweiz, Männer grundsätzlich emotionaler, alle letztendlich ehrlich und ˗ die Gesellschaft durchlebt ein digitales Dilemma.


Grösste Chance auf Trinkgeld im Gastronomiebereich

Wer gibt wo «fast immer» ein Trinkgeld? Die Studie legt offen: Wer in der Gastronomie im Service arbeitet, hat die grössten Chancen auf Trinkgeld. Immerhin 62% der Befragten geben an, im Restaurant immer ein Trinkgeld zu geben, 23% tun es «ab und zu». Auch sechs von zehn Menschen, die in einem Kosmetik- oder Coiffeure-Salon arbeiten, erhalten in 37 Prozent «immer» einen Obolus, 22% «ab und an», vier von zehn gehen leer aus. Gegenüber Fachkräften in der Hotelbranche, Angestellten von Lieferdiensten, Taxiunternehmen, in der Bar oder Diskothek und Mitarbeitenden im Reparatur- und Montageservice nimmt die Grosszügigkeit ab.

Darum geben Schweizerinnen und Schweizer Trinkgeld

Was motiviert uns, Trinkgeld zu geben? Wenig überraschend wollen 83% der Befragten damit «ihre Wertschätzung und Zufriedenheit mit dem Service» ausdrücken. Doch es gibt auch andere Motivationen: Immerhin jeder Dritte gibt Trinkgeld aus Tradition und nochmals jeder Dritte tut dies, um das Einkommen des doch meist nicht sehr hoch salarierten Personals aufzubessern.

Etwas weniger grosszügig: Junge Menschen und Schweizerinnen und Schweizer aus der Romandie

Trinkgeldgeben als respektvolle Sitte also und auch eine Frage des Stils. Doch die Kultur droht schleichend abzunehmen, wie die Analyse der Altersgruppen vermuten lässt. Bis 30-Jährige spendieren weniger Trinkgeld als ältere Generationen. Auffallend ist auch das unterschiedliche Verhalten in den Landesteilen: Romands geben signifikant weniger «pourboire» als Menschen in der Deutschschweiz.

Trinkgeld auf Privatbudget vs. Geschäftskosten

Die Studie untersuchte auch, welche sozialen Normen und verborgenen Beweggründe das Geben von Trinkgeld beeinflussen. Auf Geschäftskosten lässt es sich lockerer spendieren als bei privaten Ausgaben, mögen viele denken. Dies entspricht jedoch nicht der Realität und die Ehrlichkeit der Schweizerinnen und Schweizer ist erfreulich: Nur gerade 6 Prozent geben an, bei Geschäftsspesen mehr Trinkgeld zu geben, bei sechs von zehn hat es keinen Einfluss, drei von zehn sind privat gar grosszügiger.

Männer sind beim Trinkgeldgeben emotionaler

Männer, so die Studie, handeln beim Trinkgeld emotionaler. Vor allem bei attraktivem Servicepersonal reagieren sie häufiger (56%) mit höherem Zustupf als Frauen (34%). Gemeinsam ist den Geschlechtern, dass sie bei unattraktiver und ungepflegter Bedienung die Höhe des Trinkgeldes reduzieren. Oft scheint es beim Trinkgeld geben also auch um den guten Eindruck zu gehen.

Das digitale Dilemma abends im Ausgang

«Service inbegriffen»: In der Schweiz besteht keine Pflicht, Trinkgeld zu geben. Umso interessanter ist es, aus der Studie zu erfahren, wieviel Trinkgeld man dennoch gibt. Die 10-Prozent-Regel, die viele aus dem Ausland kennen, scheint hierzulande laut Studie keine Norm zu sein. 60% der Befragten geben bei Rechnungen ab 10 Franken aufwärts an, auf einen Betrag «aufzurunden», der nur gerade bei 3 Prozent der Befragten 10% übersteigt.

Wie lässt sich der Lohn dann überhaupt noch aufbessern? Ein kleines digitales Dilemma rund ums Trinkgeldgeben 2023 ist zu erkennen: Wird bar bezahlt, wird das Servicepersonal grosszügiger mit einer Aufrundung belohnt. Die Studie zeigt nämlich: Die Menschen geben lieber Trinkgeld in bar (57%) statt mit der Karte (10%). Viele Spendierenden glauben, dass ihr pekuniäres Dankeschön nur so bei der richtigen Person ankommt (70%) und sie sind überzeugt, dass das Bare auch beim Personal beliebter ist (70%). Obwohl also in unserer Gesellschaft das Bezahlen mit Karte oder Mobiltelefon immer beliebter wird, finden es 45% der Befragten besser, ein paar Banknoten auf den Tisch zu legen und zu sagen: «Danke, das passt so».
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