Wie die AHV-Reform auch Ihre Freizügigkeitsguthaben betrifft

Im September 2022 hat das Schweizer Stimmvolk die AHV21-Reform angenommen. Die Umsetzung erfolgt per 1. Januar 2024. Nebst der Anpassung des Referenzalters für Frauen auf 65 Jahre und der Erhöhung der Mehrwertsteuer hat die Reform auch Auswirkungen auf die Freizügigkeitsverordnung.
Am 06.09.2023 in Rund ums Geld von Melanie Bissig

Auf einen Blick:

Auf einen Blick:

  • Durch die AHV-Reform gibt es Anpassungen bei der Freizügigkeitsverordnung.

  • Ab dem 1.Januar 2030 wird der Bezug von Freizügigkeitsguthaben gleichbehandelt wie in der Säule 3a. Das heisst, ab dem 1. Januar 2030 werden Freizügigkeitsguthaben bei Erreichen des Referenzalters (Alter 65) fällig. Weisst die versicherte Person aber nach, weiterhin erwerbstätig zu sein, darf der Bezug der Freizügigkeit bis maximal fünf Jahre nach dem ordentlichen Referenzalter aufgeschoben werden.
  • Für Personen, die in den Jahren 2024 bis 2029 das Referenzalter erreichen oder bereits überschritten haben und nicht mehr erwerbstätig sind, gibt es eine Übergangsregelung. Diese Personen dürfen den Bezug der Freizügigkeit weiterhin bis zum 31. Dezember 2029 aufschieben, höchstens aber bis Alter 70.
  • Aufgrund dieser neuen Regelung lohnt es sich den Staffelplan der eigenen Vorsorgegelder zu prüfen und allenfalls neu zu organisieren.

Grundlagen der Freizügigkeit: Aktuelle Regelung

Freizügigkeitsguthaben entstehen, wenn Sie sich beruflich verändern und kurz- oder langfristig keiner Pensionskasse mehr angeschlossen sind; wenn Sie ins Ausland ziehen oder sich selbständig machen. Beim Austritt aus der Pensionskasse können Vorsorgegelder auf maximal zwei Freizügigkeitsstiftungen gesplittet werden. Eigentlich sind Freizügigkeitsguthaben als Zwischenlösung gedacht und müssen beim Antritt einer neuen Stelle wieder in die neue Pensionskasse eingebracht werden. Es gibt Situationen, in denen das volle Freizügigkeitsguthaben nicht in die Pensionskasse eingebracht werden kann. Dann bleiben diese Guthaben auf dem Freizügigkeitskonto stehen.

Unter der alten Gesetzgebung konnten Frauen und Männer den Bezug der Freizügigkeitsguthaben über das ordentliche BVG-Rentenalter hinaus aufschieben; bis maximal Alter 69 (Frauen) resp. Alter 70 (Männer) - auch wenn man nicht mehr erwerbstätig war. Dieser Aufschub des Bezugs bringt einen steuerlichen Vorteil mit sich, da Freizügigkeitsguthaben steuerfrei sind, sowohl in der Einkommens- wie auch in der Vermögenssteuer.

Auswirkungen der AHV-Reform: Neue Regelung

Der Aufschub des Bezugs der Freizügigkeit wird eingeschränkt

Aufgrund der AHV-Reform sollen Freizügigkeitsguthaben neu gleich behandelt werden wie Säule 3a-Guthaben. Das bedeutet, dass sie frühestens fünf Jahre vor Erreichen des Referenzalters ausbezahlt werden dürfen (ab Alter 60) und mit Erreichen des Referenzalters (Alter 65) fällig werden. Weist die versicherte Person nach, dass sie weiterhin erwerbstätig ist, so kann der Bezug der Freizügigkeitsguthaben höchstens fünf Jahre über das Referenzalter hinaus aufgeschoben werden (vergleiche auch admin.ch: "Die Ausführungsbestimmungen zur Reform AHV 21 treten am 1.1.2024 in Kraft").

Mit anderen Worten ist der Steuervorteil durch den Aufschub des Bezugs der Freizügigkeitsguthaben neu nur noch möglich, wenn die Erwerbstätigkeit über Alter 65 hinaus weitergeführt wird. Bis Ende 2029 gibt es eine Übergangsbestimmung.

Übergangsbestimmung

"Personen, die ihre Altersleistungen nach Artikel 16 Absatz 1 in den Jahren 2024–2029 beziehen müssten, weil sie das Referenzalter erreichen oder bereits überschritten haben, und die nicht mehr erwerbstätig sind, können die Auszahlung dieser Leistungen bis zum 31. Dezember 2029, höchstens aber fünf Jahre über das Erreichen des Referenzalters hinaus, aufschieben."

Das bedeutet:

  • Für die Jahrgänge 1959 und älter läuft alles genau gleich weiter und die Freizügigkeitsguthaben können bis Alter 70 stehen gelassen werden.
  • Die Jahrgänge ab 1960 und jünger müssen ab dem 1. Januar 2030 nachweisen können, dass sie noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen, ansonsten müssen die Freizügigkeitsgefässe ab dem 1. Januar 2030 bezogen werden (spätestens mit Erreichen des Referenzalters 65).

Achtung:

Frauen mit Jahrgang 1965 werden im Jahr 2024 59 Jahre alt sein und dürfen die Freizügigkeit im Jahr 2024 nicht beziehen, sondern erst ab dem Jahr 2025, wenn sie 60 Jahre alt werden.

Gestaffelter Bezug der Vorsorgegelder bringt steuerliche Vorteile

Die gestaffelte Auszahlung der eigenen Vorsorge birgt hinsichtlich Kapitalauszahlungssteuern ein grosses Sparpotential. Wer zum Zeitpunkt der eigenen Pensionierung das Guthaben von sämtlichen Vorsorgekonten bezieht, der zahlt darauf Kapitalauszahlungssteuern. Diese sind zwar gesondert vom steuerbaren Einkommen, jedoch ist die Kapitalauszahlungssteuer genau wie die Einkommenssteuer progressiv. Je mehr Vorsorgegelder im gleichen Steuerjahr bezogen werden, desto höher ist die prozentuale Steuerbelastung bei der Kapitalauszahlungssteuer im jeweiligen Auszahlungsjahr. Die Lösung: Mit gestaffeltem Bezug der Vorsorgegelder wird die sogenannte Progression bei der Steuerbelastung reduziert. Es werden weitaus tiefere Kapitalauszahlungssteuern fällig.

Abb.: Einmalige vs. gestaffelte Auszahlung von Vorsorgegeldern über 6 Jahre

Die Grafik zeigt beispielhaft die einmalige sowie die gestaffelte Auszahlung von Vorsorgegeldern über 6 Jahre. Der gestaffelte Bezug bewirkt eine um 9 100 Franken tiefere Besteuerung. Hinweis: Die tatsächliche Steuerersparnis kann abweichen.

So funktioniert der gestaffelte Bezug (siehe Abb. oben)

Beispiel: Alfred Müller, Jahrgang 1968, konfessionslos, ledig, Steuerdomizil Basel-Stadt, Schweiz

Alfred Müller aus Basel-Stadt hat beim Erreichen des Referenzalters 65 drei Sparen-3-Konten und zwei Freizügigkeitskonten bei der Basler Kantonalbank. Zusätzlich hat er eine Versicherungslösung abgeschlossen, die im Jahr 2028 fällig wird. Er lässt sich die Vorsorgebeträge über sechs Jahre auszahlen und spart so gegenüber einer Einzelauszahlung 9 100 Franken an Kapitalauszahlungssteuern im Kanton Basel-Stadt.

Die intelligente Lösung: Über mehrere Jahre beziehen, Steuern sparen

Es lohnt sich also den Bezug Ihrer Freizügigkeitsguthaben im Staffelplan zu berücksichtigen. Insbesondere jetzt, wo Freizügigkeitsguthaben zum gleichen Zeitpunkt fällig werden wie Säule 3a-Guthaben, gehen wertvolle Staffeljahre verloren. Für eine optimale Staffelung sollte in den Jahren, in denen Freizügigkeitsguthaben fällig werden, keine grösseren Säule 3a-Guthaben bezogen werden.

Die Voraussetzung für einen gestaffelten Bezug bei der Säule 3a sind mehrere solcher Konten (statt nur einem einzigen Vorsorgekonto), die man im Laufe des Erwerbslebens bei seiner Bank eröffnet und befüllt hat. Vorsorgeexpertinnen und -experten raten also nicht zufällig: Beim Vorsorgen einfach über die Zeit neue 3a-Konten eröffnen und auf diese einzahlen.

Überlassen Sie Ihre Vorsorgeplanung nicht dem Zufall

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Melanie Bissig

Fachspezialistin Vorsorge & Pensionierung

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